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Von Milan Schröder, Belinda und Willy Mehlhase
Bei der kürzlichen Stadtputzaktion des Grünen Ortsverbandes ließ sich das Ausmaß der Vermüllung des Stadtgebietes erfahren:
Die rund 40 engagierten Helfenden konnten in wenigen Stunden eine volle Wagenladung an Kippenstummeln, Haushaltsgegenständen und Einwegverpackungen zusammentragen. Aus diesem Eindruck soll nun politisches Handeln entstehen. Es reiche nicht, die Symptome zu bekämpfen, solange weiter immer mehr Müll produziert werde, bilanziert der Grüne Ortsvorsitzende und Stadtverordnete Oliver Riehl. Einen großen, vermeidbaren, aber oft übersehenen Anteil am Müllaufkommen machen dabei Wegwerfwindeln aus. Ein effektiver Schritt, um die Müllmenge in Hochheim zu verringern, sei daher die Förderung wieder verwendbarer Windeln. Man freue sich besonders, dass diese wichtige Thematik aus der Bevölkerung selbst an die Parteien und politisch Verantwortlichen herangetragen wurde. Zivilgesellschaftliches Engagement, wie die Initiative von Belinda und Willy Mehlhase, sei es, was die Demokratie ausmache. Gerade die Kommunalpolitik sei auf die individuellen Erfahrungen, die Ideen und Beteiligung der Bevölkerung angewiesen.
Ein einziges Hochheimer Kind benötigt im Laufe seiner Wickelzeit etwa 5.000 Einwegwindeln, das entspricht etwa 1000 Kilogramm grauen, nicht recycelbaren Mülls. Hochgerechnet auf die etwa 710 000 jährlichen Geburten in der Bundesrepublik[1] ergibt sich so ein Müllberg von rund 3.550.000.000 Wegwerfwindeln. In kinderreichen Kommunen, so der BUND, machen Wegwerfwindeln bis zu 10% des Gesamtmüllaufkommens in der grauen Tonne aus und stellen damit die größte Einzelposition dar. Gelangen Einwegwindeln in die Natur, dauert die Zersetzung aufgrund der synthetischen und erdölbasierten Kunststoffbestandteile rund 450 Jahre.[2]
Dieser Müllberg erzeugt für uns als Gemeinschaft riesige Kosten. Der nasse und verschmutzte Windelmüll muss unter hohem Energieaufwand in unseren Müllverbrennungsanlagen beseitigt werden, wobei nicht abbaubare Produkte, wie verdünnte Salzsäure sowie Elektrofilterasche, zurückbleibt, die Schwermetalle und organische Giftstoffe enthält und als Sondermüll eingelagert werden muss.[3] Bei einer Bevölkerung von 100.000 Menschen entstünden so Entsorgungskosten in Höhe von 250.000€ allein für Wegwerfwindeln.[4] Die Reduzierung von Wegwerfwindeln sei somit ein riesiger Hebel zur Reduzierung des Gesamtmüllaufkommens sowie der damit einhergehenden Kosten.
Einen Lösungsansatz stellt die wieder verwendbare Stoffwindel dar. Diese sei heutzutage eine praktikable und ernstzunehmende Alternative zur Wegwerfwindel. Moderne Stoffwindelsysteme seien leicht zu handhaben und zu pflegen. Lebenszyklusanalysen beziffern den ökologischen Vorteil bei korrekter, energieeffizienter Wäsche auf bis zu 40% geringere Treibhausgasemissionen. Bei durchschnittlich zweieinhalbjährigem Gebrauch entspräche dies der Vermeidung von rund 200 Kilogramm CO²-Equivalenten – also in etwa den Emissionen von 1000 Autokilometern.[5]
Durch die Reduktion des Einweg-Windelaufkommens könne Hochheim einen weiteren kommunalen Beitrag zum Abfallvermeidungsprogramm „Wertschätzen statt wegwerfen“ der Bundesregierung leisten und das Abfallvermeidungsgesetz der EU unterstützen, welches die Mitgliedsstaaten dazu auffordert, Ressourcen zu sparen. Auch das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP), die weltweit führende Umweltbehörde, empfiehlt nach gründlicher unabhängiger Analyse der Studienlage die Schaffung von Anreizen, Aufklärungskampagnen und insbesondere von Finanzierungslösungen, die auch ärmeren Familien die Anschaffung ermöglichen.[6]
Viele deutsche Städte und Landkreise, haben sich daher bereits zu einer finanziellen Unterstützung der Anschaffung von Stoffwindeln entschlossen. Die Höhe variiert dabei zwischen 30 und 300 Euro.[7] Dies ermögliche vielen Familien die Erstausstattung, die sich je nach gewähltem Stoffwindelsystem auf 250 bis 500 Euro belaufen und eine finanzielle Hürde darstellen können. Bereits eine geringe Zuzahlung kann dabei ein Anreiz sein, Stoffwindeln eine Chance zu geben und sie als praktikable Alternative ins Bewusstsein der Bevölkerung zu rufen.
Auch als Fairtrade Stadt seien Stoffwindeln interessant für Hochheim: Viele kleinere und größere Nähereien in Deutschland, haben sich auf die Produktion von Stoffwindeln spezialisiert. Sogar im Main-Taunus-Kreis ist mit der Bad Sodener Näherei „Glitzerpups“ ein Unternehmen ansässig. Die Stadt könnte also zugleich einen kleinen Schritt in Richtung Kreislaufwirtschaft machen und dabei den fairen Handel auf lokaler Ebene fördern.
Mit der Bezuschussung von Stoffwindeln würde Hochheim ein weiteres Zeichen auf dem Weg zu einer grüneren und umweltbewussteren Stadt setzen. Mehrwegkonzepte könnten einen wichtigen Beitrag zur notwendigen Reduktion unseres ökologischen Fußabdrucks leisten, denn Fakt ist: Müll zu verbrennen oder zu recyceln wird nie besser sein, als etwas gar nicht erst entstehen zu lassen.
[1] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/235/umfrage/anzahl-der-geburten-seit-1993/
[2] https://utopia.de/ratgeber/alternativen-zu-pampers-stoffwindeln-oekowindeln/
[3] https://deine-stoffwindel.com/windelmuell/
[5] Aumônier, S., Collins, M., & Garrett, P. (2008). An updated lifecycle assessment study for disposable and reusable nappies. Environment Agency. https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/291130/scho0808boir-e-e.pdf
[6] United Nations Environment Programme (2021). Single-use nappies and their alternatives: Recommendations from Life Cycle Assessments. https://www.lifecycleinitiative.org/wp-content/uploads/2021/03/UNEP-D003-Nappies-Report_lowres.pdf
[7] https://deine-stoffwindel.com/staedte-windelzuschuss/
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